Bewusster Sex: Der 28-Tage-Prozess

Gesellschaftliche Veränderungen und Trends lassen sich sehr treffend über aktuelle Buchveröffentlichungen erkennen. Selbst das ZEIT-Magazin nimmt gerade einen Boom bei den Themen “Tantra, Slow Sex und Soul Sex” wahr (siehe hier). Immer mehr Menschen suchen nach einer Alternative zum triebgesteuerten orgasmusfixierten Sex und finden diese bei der bewussten Wahrnehmung und Umgang mit der sexuellen Energie. Bewusstheit ist dabei das Schlüsselwort. Es geht darum, triebgesteuerte Handlungen hinter sich zu lassen, sexuelle Konditionierungen zu durchschauen, neue Blickwinkel auf das Liebesspiel einzunehmen und zu lernen, in eine hohe sexuelle Energie hinein zu entspannen.

Grundsätzlich gibt es beim Sex kein richtig oder falsch (mit Ausnahme von Sex mit Kindern oder ohne Einverständnis). Wie wir heute Sex haben, spiegelt einfach unseren jetzigen sexuellen und persönlichen Erfahrungs- und Bewusstseinsstand wider. Wie bei jeder Persönlichkeitsentwicklung gibt es immer dann einen Drang zur Veränderung, wenn man mit dem Status quo nicht mehr zufrieden ist.

Wir konnten feststellen, dass sich die Entwicklung des sexuellen Bewusstseins bei den meisten Menschen in vier aufeinander folgenden Phasen vollzieht. Die erste, die Fortpflanzungsphase, ist geprägt von unbewusster Triebsteuerung, Entladung der sexuellen Energie durch Gipfelorgasmus/Ejakulation und Eingebundensein in Konditionierungen (im Tantra auch Pashu <wörtlich “tierisch”> genannt).

In der zweiten Phase, der Dekonditionierungsphase, werden alte Verhaltensmuster in Frage gestellt, die sexuelle Energie wird als solche wahr genommen und dass es Möglichkeiten gibt, sie bewusst zu beeinflussen. Das Liebesspiel wird auf den ganzen Körper ausgedehnt, Gipfelorgasmus und Ejakulation können zunehmend kontrolliert werden.

Die dritte Phase, der bewusste Sex, ist gleichzeitig auch das Anliegen unseres 28 Tage-Prozess. Hier wird es immer mehr zum Normalzustand, die sexuelle Energie nicht durch einen Orgasmus zu entladen sondern dem Energiekreislauf des Körpers wieder zuzuführen. Die Orgasmus- und Ejakulationskontrolle geht über in die Entspannung auf einem hohen sexuellen Energielevel. Gefühle, Energien und Muster, die in Zusammenhang mit der Sexualität stehen, werden bewusst wahr- und angenommen. Bisher geltende Grenzen können überschritten werden und aus dem so entstehenden Spannungsfeld wird Energie erzeugt und schöpferisch umgewandelt.

Die Entfremdungsspirale (siehe hier ) wird durchbrochen und es entsteht eine Annäherungsspirale bei den Partnern, die durch Achtsamkeit, Verständnis und Herzöffnung getragen ist. Die Sexualenergie wird als Mittel erlebt, um schöpferisch tätig zu sein, größere innere Kräfte freizusetzen und Glück und Zufriedenheit zu erzielen.

Menschen, die die dritte Phase erreicht haben, lassen sich in etwa mit dem tantrischen Archetypen “Vira” vergleichen (wörtlich “Held”). Diese sind in der Lage, die intensiven tantrischen Ritualen durchzuführen und in schöpferische Energie umzuwandeln.

In der vierten Phase, dem Kosmischen Sex, spielen Techniken keine Rolle mehr. Orgasmische Energien verschmelzen mit spirituellen Erlebnissen zu einer kosmischen Verbundenheit. Es ist der Schritt vom Tun zum Sein. Beim Tantra gibt es den Archetypen “Divya”, ein Lichtwesen, bei dem das Göttliche sichtbar ist.

Der 28-Tage-Prozess - Vom Sexualtrieb zum bewussten Sex

tl_files/bilder/slowsex/shiva-shakti01.jpgUnser Anliegen ist es, Menschen ein Stück des Weges zum bewussten Sex zu begleiten und dabei Anregungen und Denkanstöße zu geben. Es geht uns nicht darum, irgendwelche Weltsichten, Dogmen oder vorgefertigte Weisheiten zu verbreiten, sondern unsere eigenen Erfahrungen, die wir auf unserem Weg gemacht haben, zu vermitteln.

Wir lassen uns zwar von Weisheitskonzepten wie Tantra, Taoismus, Karezza, Slow Sex usw. inspirieren, aber was für uns schlussendlich zählt, sind unsere eigenen Erfahrungen und Umsetzungen. Bei den  angesprochenen Konzepten gibt es viele gute Ideen, aber manches ist uns auch zu “abgehoben”, anderes zu “profan” und wieder anderes für normale, nicht sonderlich spirituelle Menschen nur schwer umsetzbar. Deshalb prüfen wir, was für uns wirklich hilfreich ist und unsere persönliche Weiterentwicklung unterstützt und geben dies an unsere Seminarteilnehmer und Leser weiter. Wir fühlen uns dem Motto “Walk Your Talk” (Tu das, was du sagst) verbunden.

Den 28 Tage-Prozess haben wir entwickelt, nachdem wir uns intensiv mit der Neurochemie der Sexualität (Hormone & Co.) beschäftigt (siehe hier) und dabei herausgefunden haben, dass der Gipfelorgasmus tatsächlich zur emotionalen Entfremdung bei Paaren führt. Währenddessen lernten wir unterschiedliche Konzepte kennen, um diese Entfremdungsspirale zu beenden. Sie haben alle einen gemeinsamen Nenner: Die Vermeidung des Orgasmus, Herzöffnung und Transformation der sexuellen Energie in höhere Bewusstseinsebenen.

Aus unseren eigenen Erfahrungen heraus haben wir den 28-Tage-Prozess entwickelt, der Paare den Weg zu einer bewussteren Sexualität weist. Wir laden dich dazu ein, dich mit diesen Gedanken zu beschäftigen und vielleicht einmal auf seine Wirkung hin zu testen. Vielleicht öffnen sich für dich neue Horizonte - vielleicht aber auch nicht. Gib unserer Anregung einfach einmal eine Chance.

Der Prozess ist in vier einwöchige Abschnitte unterteilt und bezieht sich auf die Inhalte des o.g. Artikels. Wichtig ist: Während der 28 Tage soll ein Orgasmus vermieden werden. Wenn einer von euch beiden doch einen hat, dann erfreut euch daran. Aber der Prozess beginnt dann wieder bei Tag 2.

1. Woche: Bindungsverhalten einüben

Die erste Woche beginnt an Tag 1 mit herkömmlichen Sex, bei dem beide Partner möglichst einen Orgasmus haben. Dadurch wird das Hormonsystem bei beiden auf Anfang gestellt und es lässt sich besser beobachten, welche Auswirkungen die nachorgasmische Katerstimmung auf beide Partner hat. Paare, die lange keinen Sex mehr hatten, können auch ohne Orgasmus einsteigen, weil die Entfremdung hier sowieso schon stark ist.

In den nächsten sechs Tagen werden Verhaltensweisen eingeübt, die Bindungssignale aussenden (also Oxytocin freisetzen) und die der Körper als “sich sicher fühlen” interpretiert (z.B. selbstlose und nicht-erotische Berührung, Augenkontakt, Komplimente, Umarmungen, Berührungen usw.).  In diesen Tagen ist viel Rücksicht und Nachsicht gefordert, weil der Dopaminlevel vor allem an den ersten vier Tagen sehr stark abfällt und sich Frustration, Depression und Energiemangel einstellen kann.

Bei Paaren, bei denen die Entfremdung schon fortgeschritten ist, können an diesen Tagen zusätzliche Verwirrung und intensive Reaktionen auftreten und es bedarf Vertrauen in die Wirkung der Bindungssignale, um den Prozess nicht vorzeitig abzubrechen.

2. Woche: Dekonditionierung

In der zweiten Woche kommt die sexuelle Energie langsam wieder zurück, die Stimmungsschwankungen halten aber noch an. Die Übungen in diesen Tagen konzentrieren sich auf das “Entlernen” von sexuellen Verhaltensweisen und das Erlernen von neuen. Themen sind dabei u.a. die “hungrige” Berührung, die Bewusstwerdung des “Point of no Return”, die Entspannung beim Sex, Atemübungen für die Lenkung von sexuellen Energien, der Plus- und Minus-Pol bei der sexuellen Erweckung usw.

3. Woche: Energie halten

In der dritten Woche klingt das nachorgasmische Unwohlsein langsam ab und die Hormone pendeln sich wieder in den ausbalancierten Normalbereich ein. Beide Partner fühlen sich positiver und verbundener, der Energielevel steigt.

In den zwei Wochen vorher war kein Geschlechtsverkehr vorgesehen, der nun wieder aufgenommen wird. Die Partner lernen, die sexuelle Energie aufzubauen und sie mittels Atemübungen zu halten, statt sie nach außen über einen Orgasmus abzugeben.  

4. Woche: Bewusster Sex

Die hormongesteuerten Überreaktionen des Körper sind ausgestanden und nun kann der Schritt zum bewussten Sex erfolgen: Bewusste Wahrnehmung und Lenkung der sexuellen Energie, gemeinsames Wachsen an und das Ausloten von neuen Erfahrungen, die Sexualität als Bewusstseinserweiterung, Schattenarbeit u.a.

Seminare, Artikel und Webseiten zum “28-Tage-Prozess für bewussten Sex”

Der 28-Tage-Prozess ist zur Zeit vor allem Bestandteil unserer SlowSex-Seminare für Paare. In den nächsten Wochen und Monaten werden wir einzelne Übungen und Anleitungen auch auf unseren Webseiten und in Artikeln veröffentlichen.